Toxophilus.net möchte euch die englischen Langbogenschützen, ihre mögliche Ausrüstung, ihre Lebensweise und meine Faszination an „Reenactment“ näherbringen. Seit über 13 Jahren ist es meine Leidenschaft, meine Darstellung als englischer Bogenschütze weiterzuentwickeln und so nah wie möglich eine realistische Darstellung zu bieten.
Die Seite wird über vier unterschiedliche Zeiträume des Hundertjährigen Krieges ausgelegt sein. Betrachtet wird in erster Linie die militärische Darstellung, eines deutlich besser ausgerüsteten englischen Bogenschützen. Da der Hundertjährige Krieg tatsächlich 116 Jahre dauerte, gab es auch in Sachen Kleidung, Ausrüstung und Lebensweise eine spürbare Veränderung in diesem Zeitraum. Um diese Veränderung angemessen zu präsentieren, unterscheide ich zwischen folgender Unterteilung:
1.Freier Walisischer Bogenschütze um 1337 (Beginn des Hundertjährigen Krieges)
2.Englischer Bogenschütze um 1346 (Schlacht von Crécy)
3.Englischer Bogenschütze um 1415 (Schlacht von Azincourt )
4.Freier englischer Bogenschütze um 1453 (Ende des Hundertjährigen Krieges )
Damit dies auch mit fundiertem Hintergrundwissen gefüllt ist, gibt es unter Literatur eine Liste meiner bisher gesammelten Fachbücher, Artikel und Quellen bezogen auf das Thema. In den hier von mir geschriebenen Artikeln werde ich stets eine ausführliche Quellenangabe hinzufügen. Dabei unterscheide ich zwischen Primärquelle, Sekundärquelle und Tertiärquelle.
Warum der Name toxophilus.net ?
Wenn wir heute von den englischen Bogenschützen sprechen und den Hundertjährigen Krieg betrachten, fallen uns so klangvolle Namen wie Crècy, Poitiers, Azincourt oder Castillon ein. In dieser Zeit kam entweder niemand auf die Idee, das Wissen um den Einsatz des Langbogens als Kriegswaffe zu dokumentieren oder es fehlte einfach an entsprechender Bildung. Die Schützen, die gebildet waren (vorwiegend Adelige), schossen vermutlich zu wenig und wenn vorwiegend auf der Jagd. Erfahrene Langbogenschützen, die Ihren Bogen als Waffe im Krieg einsetzten, kamen vorwiegend aus dem einfachen Landvolk, und waren sehr oft nicht gebildet.
Roger Ascham schrieb erst 1545 sein Buch über das Bogenschießen für seinen König Heinrich den VIII. Der „Toxophilus“ gilt als die älteste und meistzitierte umfassende Anleitung zum Bogenschießen des europäischen Kulturkreises und erklärt zudem ausführlich die Ausrüstung der Bogenschützen der Antike und des ausgehenden Mittelalters. Roger Ascham war selbst kein Soldat, er betrachtete das Bogenschießen seiner Zeit aus der Perspektive eines Zivilisten.
Um 1545 war es immer noch üblich, Bücher in lateinisch oder griechisch zu verfassen. Roger Ascham verfasste sein Werk jedoch, entgegen der Gepflogenheit jener Zeit „mit Englischer Zunge“, um es einer möglichst breiten Leserschaft zugänglich zu machen. Hier wird nun deutlich, selbst 92 Jahre nach dem Hundertjährigen Krieg war Wissen immer noch nicht für alle Personengruppen uneingeschränkt zugänglich. Was den Toxophilus als Primärquelle auszeichnet, ist nicht nur sein Status als erstes Werk seiner Art. Unser überwiegend heutiges Wissen über englische Kriegsbögen, Pfeile und Ausrüstungen der englischen Bogenschützen, bis auf wenige Ausnahmen haben wir von dem gesunkenen Kriegsschiff der Mary Rose.
Diese ging am 19 Juli 1545 unter, im gleichen Jahr als Roger Ascham König Heinrich VIII. nach dessen Rückkehr von der Schlacht bei Boulogne seinen Toxophilus 1545 überreichte.
Der Hundertjährige Krieg - Soziale Umwälzung in England
Am 26. August 1346 änderte sich der Status der englischen Langbogenschützen in Europa. An diesem Tag trifft das mächtige Heer des Französischen König Philip VI. auf seinen Rivalen um den Thron Frankreichs. Es ist der englische König Edward III., der ihn nordöstlich der kleinen Ortschaft Crécy en Ponthieu erwartet.
Die vielen Tausend französischen Ritter sehen sich selbst als die Blüte der Ritterschaft des christlichen Abendlandes. Sie warten nur darauf, sich auf die verhassten Engländer zu stürzen. Ihr Hochmut wird genährt von der Demütigung, da weite Teile des Königreiches Frankreichs durch die Engländer verwüstet worden. Keinesfalls als ebenbürtige Kämpfer betrachten sie das eigene Fußvolk, kampfunerfahrene Milizen und genuesische Söldner.
Die Engländer verfolgen eine andere Taktik, sie erwarten ihre Gegner oft zu Fuß. Englands Ritter haben die Vorstellung des Kampfes Mann gegen Mann – Ritter gegen Ritter, als einzige standesgemäße Form der Kriegsführung aufgegeben. Die erfahrenen und vielfach kampferprobten Bogenschützen, die zahlenmäßig den größten Teil des englischen Heeres bilden, sind zu unverzichtbaren Mitstreitern geworden.
Es sind zwei völlig unterschiedliche militärische Taktiken, ja vielleicht sogar Weltanschauungen, die in der ersten großen Landschlacht im Hundertjährigen Krieg aufeinanderprallen. Die Engländer hatten die richtige Taktik gewählt und somit schlug König Edward III. in der Schlacht von Crécy gegen Frankreichs König Philip VI., den gesamten Adel Frankreichs, nur mit seinen Bogenschützen.
Die adelige Kriegerkaste hat versagt. Erschwerend kommt hinzu, dass die französischen Ritter nicht im ritterlichem Kampf - Mann gegen Mann gleichrangigen unterlegen sind, sondern von niedrig geborenen Bogenschützen besiegt worden. Der Bogen ist damit auch zum Instrument der sozialen Umwälzung in England geworden.
Die Bogenschützen sind in England nicht mehr nur bewaffnete Gemeine, die zu nichts als Hilfsdiensten taugen, sich ansonsten aber nach mittelalterlich ritterlichem Verständnis vom eigentlichen Kampf, dem von Ritter gegen Ritter, fernhalten sollten. Sie haben sich vielmehr zu einer eigenständigen, Schlacht bestimmenden Waffengattung entwickelt. Sie werden zu einer Kriegerelite, die Aufnahme in die Gefolge der Adeligen findet und in anderen Teilen Europas, vor allem in Italien, als Söldner geschätzt wird.
Dies hatte natürlich Auswirkung auf die Bezahlung der Bogenschützen. Henry V. zahlte im Jahr 1415 einem Bogenschützen schon 6 Pence am Tag. Was im Übrigen soviel war, wie ein guter Handwerker an einem Tag verdienen konnte. Bei der Schlacht von Potiers im Jahr 1356 zahlte der Prince of Wales nur 3 Pence für Bogenschützen, nur die mit einem Pferd erhielten 6 Pence. Das entsprach 1356 dem Lohn eines Handwerkermeisters.
Somit gehört es zu den beeindruckendsten Ereignissen der Militärgeschichte des Mittelalters, das die Engländer mithilfe ihrer Langbogenschützen gegen weit überlegene französische Ritterheere siegten.
Das englische Kriegsschiff Mary Rose
Es wurden 172 der gelisteten 250 Langbögen aus Eibe gefunden, dieses Holz stammte hauptsächlich aus Italien und Spanien. Davon sind 137 komplett oder fast vollständig erhalten. Die Bögen hatten eine durchschnittliche Größe von 1,98 Meter und viele wurden in besonders langen Truhen gefunden.
Außerdem annähernd 2.303 komplette Pfeile, und 7.834 Fragmente der gelisteten 9600 Pfeile wurde meistens ebenso in Truhen gefunden. Die Pfeile bestehen zu 77 % aus Pappel, der Rest zum größten Teil aus Birke und Erle. Schießzubehör wie Pfeil-Munitionsringe und Armschutze aus Leder kamen zu Vorschein.
Die Bögen sind in hervorragendem Zustand, sodass sie wie schon erwähnt die Hauptquelle zur Erforschung des Englischen Langbogens darstellen. Neben den Bögen der Mary Rose sind weltweit nur drei weitere Exemplare Englischer Langbögen bekannt, die seit dem Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit erhalten geblieben sind.
Der erste stammt aus der Schlacht von Hedgeley Moor (1464) während der Rosenkriege. Das Exemplar ist heute in Privatbesitz des jeweiligen Duke of Northumberland und befindet sich auf Schloss Alnwick Castle.
Der zweite stammt aus der Schlacht von Flodden Field (1513) und hing im Hauptquartier der Royal Scottish Archers in Edinburgh.
Der dritte noch erhaltene Langbogen stammt aus der Waffenkammer der Kirche des Dorfes Mendlesham in Suffolk. Er wird in die Zeit von Henry VIII. oder Königin Elisabeth I. datiert (1491–1603).
Langbogen & Arkebuse. Das Volk kann nicht mehr schießen?
Wie wir nun wissen, gab es durch die Mary Rose einen großen Fund von Langbögen, Pfeilen und Fragmente von Pfeilschäften. Interessanter weise war laut Roger Ascham, das schießen beim Volk um 1545 gar nicht mehr so „State of the Art“ und wurde in der Freizeit selten betrieben. Er prangerte gar den Mangel an Schießunterricht in England an. Er schreibt wortwörtlich: „Viele würden zwar einen Bogen kaufen, wegen des Ansehens, schießen jedoch nicht mit ihm. Nicht aus bösem Willen heraus, sondern weil sie nicht schießen können.“
Das ist deshalb verwunderlich da König Heinrich VIII., der am 22. April 1509 den englischen Thron bestieg, dazu einige Regeln aufstellte. Er schrieb vor, dass jeder Engländer unter 60 Jahre, der nicht lahm, verkrüppelt oder anderweitig behindert war, bei Androhung der Strafe von 12 Pence per Monat, das Schießen mit dem Langbogen zu erlernen und zu trainieren hat.
Der Langbogen wurde schon im 16. Jahrhundert durch langsam und ungenau schießende Arkebusen ersetzt. Der Historiker J.F. Guilmartin vertritt die Meinung, dass die Ausbildung eines Arkebusiers lediglich ein paar Tage dauere, die eines Bogenschützen dagegen ein ganzes Leben. Wer mal mit einer Armbrust geübt hat, kann diesen ähnlichen Effekt sicher bestätigen.
Ein Problem bei dieser Umstellung war lange der Mangel an Waffen und erfahrenen Arkebusieren – Bogen und Bogenschützen gab es genug. In den Kriegen Heinrich VIII. existierten die Waffen und Taktiken des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit noch uneingeschränkt nebeneinander. Es waren sicher ideologische Vorbehalte verantwortlich, dass man an der bewährten Waffe wie Langbogen und leichterer Kavallerie festhalten wollte. Heinrich der VIII. war zudem selbst ein begeisterter Bogenschütze.
Bei Militärhistoriker, die sich mit der Tudorzeit beschäftigen, gibt es große Übereinstimmung, dass die Engländer die große Veränderung einfach verschlafen hatten. Was noch im Hundertjährigen Krieg fortschrittlich und neu war, wurde zusehends zum Problem.
Es erinnert gar an damaligen Hochmut der französischen Ritter unter König Philip VI. Die Engländer waren der festen Überzeugung, dass einer von ihnen mindestens 10 Franzosen wert sei. Die Heeresaufgebote bestanden hauptsächlich aus den traditionellen „bow and bills“, einer Masse von Hellebardenträgern (so genannter Billmen), die von großen Abteilungen aus Bogenschützen flankiert wurden. Schwere Kavallerie oder Feuerwaffen hielt man für ziemlich überflüssig.
Heinrich VIII. erkannte selbst, dass allein mit Bogenschützen und Billmen, schlachten in seiner Zeit nicht mehr zu gewinnen sind. Das Defizit sollte durch umfangreiche Söldneranwerbungen im Ausland ausgeglichen werden. Jedoch schreibt ein Zeitzeuge über einen Angriff der Schotten im Norden Englands: „Sie waren so gut gepanzert, dass ihnen die Pfeile keinen Schaden zufügten.“
Die militärische Schwäche wurde darauf im eigenen Land heftig diskutiert. Angeblich gab es nicht mehr genug pflügende Bauern, da nur der Pflug dem Bogenschützen die notwendige Kraft verlieh, und „Schäfer schlechte Bogenschützen abgaben“. Andere schrieben den Niedergang der weitverbreiteten Lust am Kartenspiel zu, und ein Bischof klagt, „dass eine ungläubige Generation lieber in den Städten huren, als sich auf dem Feld im Schießen zu üben.“ Dieser Aussagen stützen Roger Ascham Meinung im Toxophilus, und hatten sicher einen gewissen Anteil am Problem.
Das Hautproblem lag jedoch in den längst überholten feudalistischen Rekrutierungsmethoden. Theoretisch sollten die großen Adeligen mit ihrem persönlichen Gefolge und einem Teil ihrer Pächter zur Musterung erscheinen. Nun befand sich der Adel aber wie überall in Europa in einer wirtschaftlichen Krise, viele alte Familien waren sogar völlig verschwunden. Oft überforderte es die finanziellen Möglichkeiten der Adligen, ein entsprechendes Gefolge zu unterhalten, oder diese richtig auszurüsten. Der oft beklage Mangel an schweren Reitern hat hier seine Ursache. Außerdem verweigerten viele Pächter den Militärdienst, da sie ihn als lästige Verpflichtung ansahen, die in keinem geschriebenen Gesetz festgeschrieben war.
Vor allem aber verlangte die moderne Kriegsführung eine gewisse Ausbildung für die taktischen Manöver und bei der Infanterie eine Standfestigkeit, die man nur bei Veteranen finden konnte. Bereits der englische Befehlshaber John Talbot hatte deshalb in der Endphase des Hundertjährigen Krieges bei der Schlacht bei Castillon kaum die viel gepriesenen Yeomen (Pächter, Freibauern), sondern überwiegend englische Kolonisten in der Normandie oder gleich Franzosen (bis zu 50 %) rekrutiert.
Die erforderliche Professionalität war von Feudalaufgeboten zu dieser Zeit einfach nicht mehr zu leisten, selbst wenn sie gut genährt waren und sich am Wochenende fleißig im Bogenschießen übten. Die technische Entwicklung der Rüstungen hat daran natürlich ebenso einen großen Anteil. Wie schon oben erwähnt, berichtete ein Zeitzeuge bei einem Angriff der Schotten im Norden England „Sie waren so gut gepanzert, dass ihnen die Pfeile keinen Schaden zufügten.“
Grenzen der mittelalterlichen Darstellung im Reenactment
Jemand, der mir sagt, dass se ine Darstellung nun abgeschlossen ist, würde ich mit großen ungläubigen Augen wohl anschauen. Ich werde vermutlich nie fertig und es wird immer eine kontinuierliche Weiterentwicklung geben. Da es für mich ein Hobby ist und ich selbst kein Geld damit verdiene, sind mir natürlich eigene Grenzen im Budget gesetzt.
Ich möchte auch das Thema „A“ wie authentisch erwähnt haben, was immer wieder zu großen Diskussionen in der Reenactment und Living History Szene führt. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung finde ich ein erstrebenswertes Ziel. Niemand wird jemals 100 % „A“ sein, oder möchtet ihr Krankheiten wie die Pest, schlechte Zähne, oder wie bei den englischen Bogenschützen Knochendeformitäten (Os acromiale) haben?
Auch körperlich sind mir bestimmte Grenzen gesetzt. Mein englischer „leichter Kriegsbogen“ ist mit 80 Pfund bei 32 Zoll zu damaliger Zeit, vermutlich ein Bogen für einen jungen Erwachsenen gewesen. Die Bögen der Mary Rose wurde auf etwa 100 Pfund (45 kg) bis 180 Pfund (82 kg) durch mathematische Modellrechnungen geschätzt.
Wo finde ich was auf toxophilus.net?
Erforsche die unterschiedlichen Bereiche dieser Website. Unter „Ausrüstung“ findest du meine Interpretation der Gegenstände eines Langbogenschützen unterteilt in vier Zeitabschnitte im Hundertjährigen Krieg. Unter „Bilder“ findest du die entsprechende Ausrüstung getragen am Mann.
In der Kategorie „Literatur“ kannst du meine bisherigen Quellen, Fachbücher etc. ansehen. „Bogenfibel“ soll eine Wissensdatenbank im Hundertjährigen Krieg sein, für alle die etwas ausführlicher nachschlagen möchten. Wenn du mit mir persönlich Kontakt aufnehmen willst, schreib mir eine E-Mail, oder besuche mein Profil bei Facebook & Instagram!
Viel Spaß bei toxophilus.net und …
Quellen
Toxophilus – Die Schule des Bogenschießens, Roger Ascham,
ISBN 9783937632-69-8, Seiten 1, 6, 9 und 99
Krähen über Crécy, Dr. Johann Baier, ISBN 978-3-93892114-2, Seiten 187 und 188
Die Schlacht bei Agincourt, Dr. Johan Baier, ISBN 978-3-938921-01-2, Seite 35
Der Schwarze Prinz und die Schlacht bei Poitiers, Dr. Johan Baier,
ISBN 978-3-938921-29-6, Seite 25
Pfeil und Bogen – Von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter, Jürgen Junkmans,
ISBN 9783938921272, Seiten 380, 382 bis 387
https://de.wikipedia.org/wiki/Langbogen
http://www.kriegsreisende.de/neuzeit/heinrich_8.htm
https://maryrose.org