Bogenfibel - Wissensdatenbank


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Pest im Hundertjährigen Krieg

Krankheiten im Hundertjährigen Krieg

OS Acromiale (Schulterdach-Fusionsstörung)

Die Untersuchungen der Skelettreste auf der Mary Rose zeigen, dass viele Bogenschützen eine Erkrankung namens „Os acromiale“ hatten. Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine Fusionsstörung des Schulterdachknochens, vermutlich ausgelöst durch die schweren Kriegsbögen (warbows) seit der Kindheit und dem entsprechenden hohen Zuggewichten von 100 bis 180 Pfund. Selbst moderne professionelle Bogenschützen haben heute einen ähnlichen Zustand.

Durch das regelmäßige schießen der „Kriegsbögen (warbows)“ verbleibt ein Knochenspalt im Schulterdach, hierbei kommt es zu Bewegungen der beiden Knochenteile gegeneinander und zu vermehrtem Druck auf die darunter liegende Rotatorenmanschette.

Vermutlich klagten englische Langbogenschützen mit symptomatischen „Os acromiale“ irgendwann über Schmerzen bei Bewegungen des Armes, häufig waren bereits Schäden dieser Sehnen vorhanden.

Heutzutage erfolgt die Behandlung operativ in Vollnarkose und zusätzlicher Schmerzkathetereinlage. Der Gelenkspalt des Schulterdaches wird ausgeräumt, die Knochenanteile miteinander verschraubt. Bei gleichzeitigem Schaden der Rotatorenmanschette muss diese mitbehandelt werden.

Bei einem Bogenschützen auf der Mary Rose war die Mitte der Wirbelsäule leicht verdreht, weshalb seine rechte Schulter tiefer hing als die linke. Diese Missbildung entsteht, wenn die Schultern viele Jahre hinweg ungleichmäßig belastet werden.

Quellen:
https://www.elbekliniken.de/de/unfallchirurgie-behandlungsverfahren-schraubenosteosynthese
www.maryrose.org
https://en.wikipedia.org/wiki/Acromion
https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/mann-und-maus-der-mary-rose/


Dysenterie (Ruhr)

Eine als Kriegsseuche bekannte Erkrankung, die auch im Hundertjährigen Krieg eine nicht unerhebliche Zahl von Opfern forderte. Insbesondere bei der Belagerung von Harfleur am 18.08.1415 erfasste sie das Heer mit epidemischer Schnelligkeit. 2.000 Männer aus dem Fußvolk, also vor allem Bogenschützen, starben in den Lagern und Gräben vor Harfleur an der Ruhr; 5.000 weiter mussten zurück nach England geschickt werden. Doch nicht nur die einfachen Soldaten litten unter der Krankheit. Die Ruhr forderte auch unter den höchsten Adeligen ihre Opfer. Michael de la Pole, der Earl of Suffolk, starb ebenso wie Thomas Courtney, der Bischof von Norwich. Letzteren ereilte sein Schicksal innerhalb von nur fünf Tagen, nachdem er einen blutigen Ausfluss festgestellt hatte. Andere Adelige, wie Edmund Mortimer, der Earl of March, oder John Mowbray der Earl Marshal, mussten todkrank in die Heimat zurückkehren. Der prominenteste unter ihnen war wohl Thomas, der Herzog von Clarence, einer der Brüder des Königs. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Henry V. bei der Belagerung von Meaux im Jahr 1422 im Alter von nur 35 Jahren, wie so viele seiner Männer, an der Ruhr starb.

Definiton
Die Ruhr wird als eine entzündliche Erkrankung des Dickdarms bei einer bakteriellen Infektion bezeichnet (Bakterienruhr). In weiterem Sinn werden unter Dysenterie auch Durchfallerkrankungen verstanden, die bei Infektionen mit Parasiten wie Amöben (Amöbenruhr) und Lamblien auftreten oder bei Vireninfektionen. 

Die Shigellen sind Auslöser der bakteriellen Ruhr, auch Bakterienruhr bzw. Shigellose genannt; sie werden meist durch Kontakt mit infektiösem Kot oder verunreinigtes Essen verbreitet. Daneben ist auch eine durch Protozoen, Amöben, hervorgerufene Dysenterie bekannt, Amöbenruhr bzw. Amöbiasis genannt, bei der verunreinigtes Wasser die häufigste Ursache der Infektion ist. Die Bakterienruhr triff meistens in Gebieten mangelnder hygienischer Versorgung auf, mit schwereren Verlaufsformen bei einer geschwächten Immunabwehr oder bei Mangelernährung.

Die schlechten Bedingungen der englischen Feldlager im sumpfigen Gelände rund um Harfleur waren somit ein idealer Nährboden für die Ruhr. Das Umland der Stadt war überschwemmt, der Boden getränkt vom Brackwasser der Flussmündung und von den Ausscheidungen Zehntausender Menschen und Tiere. Krankheiten und Seuchen fand in den Armeen des Mittelalters, die oft unter für uns unvorstellbaren hygienischen Bedingungen leben mussten, reiche Nahrung.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bakterienruhr

https://de.wikipedia.org/wiki/Dysenterie

Die Schlacht bei Agincourt, Dr. Johann Baier, ISBN 3-938921-01-3, Seiten 67 – 69 und 134

Schwarzer Tod (Pest)

Als Schwarzer Tod wird eine der verheerendsten Pandemien der Weltgeschichte bezeichnet, die in Europa zwischen 1346 und 1353 und somit mitten im Hundertjährigen Krieg geschätzte 25 Millionen Todesopfer – ein Drittel der damaligen Bevölkerung – forderte. Auf der Karte sieht man, dass das entsprechende Gebiet für unsere Untersuchung - England und Frankreich am Anfang des Jahres 1349 (Orange) betroffen war.






















                                                 Roger_Zenner, Pestilence spreading 1347-1351 europe, CC BY-SA 2.0 DE


Als Ursache gilt die durch das Bakterium Yersinia pestis hervorgerufene Pest. Das Wort Pest leitet sich vom lateinischen Wort pestis für Seuche ab und wird daher auch ohne direkten Bezug auf die Krankheit Pest verwendet. Die Pandemie trat nach heutigem Wissensstand zuerst in Zentralasien auf und gelangte über die Handelsrouten (unter anderem über die Seidenstraße) nach Europa. Aus dem östlichen Mittelmeerraum verbreitete sich die Krankheit wahrscheinlich über Rattenflöhe in das restliche Europa, jedoch bleiben einige Landstriche relativ verschont.

Soziale Auswirkungen
Die sozialen Auswirkungen des Schwarzen Todes reichten sehr weit: Den Juden wurde vorgeworfen, durch Giftmischerei und Brunnenvergiftungen die Pandemie ausgelöst zu haben. Dies führte in vielen Teilen Europas zu Judenpogromen und einer Auslöschung jüdischer Gemeinden.

Der Begriff „Schwarzer Tod“
Die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ (mors nigra) wurde im Mittelalter nicht speziell für die Pest verwendet – zeitgenössische Chronisten sprachen vom „großen Sterben“ (mortalitas magna) oder von der „großen Pestilenz“ (pesti magna).

Aktuelle Forschung
Die Tendenz der jüngeren Forschung deutet darauf hin, dass eher 45-50 % der europäischen Bevölkerung während eines Zeitraums von vier Jahren starb. Es gibt beträchtliche geografische Unterschiede. In den Mittelmeerregionen Europas, Gebieten wie Italien, Südfrankreich und Spanien, wo die Pest vier Jahre lang grassierte, starben wahrscheinlich etwa 75-80 % der Bevölkerung. In Deutschland und England … lag die Todesrate wahrscheinlich näher bei 20 %.

Hafenstadt Kaffa – Ausgangspunkt der Pest im Jahr 1346
Im Jahr des Herrn 1346 – jenem Jahr in dem Edward III. von England das Heer des französischen Königs Philip VI. bei Crécy vernichtend schlug – griff der Tartarenführer Jani Beg die Hafenstadt Kaffa auf der Halbinsel Kram am Schwarzen Meer an. Der Tartarenkhan führte ein gewaltiges Heer aus den Weiten der Steppe vor die Stadt und schloss sie ein. Kaffa war ein stark befestigter genuesischer Handelsstützpunkt, und die Tartaren konnten die Stadtmauern nicht im Sturm einnehmen. Die Genueser versorgten die Stadt von See her, und so konnten sie monatelang die Belagerer verteidigen.

Während sich die Belagerung hinzog, brach im Heer Jani Begs eine Seuche aus, die von Zentralasien her entlang der Seidenstraße die Steppengebiete nördlich des Schwarzen Meeres erreicht hatte. Täglich starben Tausende seiner Krieger und es schien, als ob der Khan die Belagerung abbrechen müsste. Um die Verteidiger doch noch zur Aufgabe zu zwingen, katapultierten die Tartaren die Leichen der an der Seuche verstorbenen über die Mauern der Stadt. Das war keine unübliche Vorgehensweise. Auch christliche Heere schleuderten gelegentlich die verfaulten Leichen von Menschen und Tieren in belagerte Städte, um Seuchen zum Ausbruch zu bringen.

In Kaffa breitete sich die Seuche mit unheimlicher Geschwindigkeit aus. Die Menschen wurden so schnell krank und starben in solchen Massen, dass den Verteidigern keine andere Wahl blieb, als die Stadt aufzugeben, Sie bestiegen ihre Schiffe und flohen nach Konstantinopel und weiter nach Italien. Die Krankheit nahmen sie mit sich.

Der Florentiner Giovanni Boccaccio beschrieb die Schnelligkeit, mit der der Tod kam, wohl am treffendsten, als er feststellte, dass viele der Opfer „ihr Mittagsessen mit ihren Freunden einnahmen und ihr Abendessen mit ihren Vorfahren im Paradies“.

Langfristige Auswirkungen des Schwarzen Todes
Langfristig bewirkte und beschleunigte die Seuche einen tiefgreifenden Wandel in der mittelalterlichen Gesellschaft Europas. Wie David Herlihy zeigt, konnte die Generationen nach 1348 nicht einfach die sozialen und kulturellen Muster des 13. Jahrhunderts beibehalten. Der massive Bevölkerungseinbruch bewirkte eine Umstrukturierung der Gesellschaft, die sich langfristig positiv bemerkbar gemacht habe. So bezeichnet Herlihy die Pandemie als „die Stunde der neuen Männer“: Die Entvölkerung ermöglichte einem größeren Prozentsatz der Bevölkerung den Zugang zu Bauernhöfen und lohnenden Arbeitsplätzen.

Die Zünfte ließen nun auch Mitglieder zu, denen man zuvor die Aufnahme verweigert hatte. Während der Markt für landwirtschaftliche Pachten zusammenbrach, stiegen die Löhne in den Städten deutlich an. Damit konnte sich eine größere Anzahl von Menschen einen höheren Lebensstandard leisten als jemals zuvor; allerdings kam es teilweise auch zur Nahrungsmittelknappheit, weil viele Felder nicht mehr bewirtschaftet worden, so z.B. in England, wo Löhne für Landarbeiter stark stiegen. Obwohl die Adeligen 1349 im Parlament das „Statute of Labourers“ durchsetzten, das die Löhne für Feldarbeit begrenzte, wurden die Landarbeiter zusätzlich mit Naturalien bezahlt. Die Lohnkonflikte führten schließlich zum großen Bauernaufstand von 1381, dem „Peasants` Revolt“, in dessen Folge England als erstes Land Europas die Leibeigenschaft abschaffte. Freie Bauern wurden in der Folge durch Pächter ersetzt, die weniger arbeitsintensive Schafzucht verdrängte den Ackerbau.

Auswirkungen der Pest auf den Hundertjährigen Krieg
Die durch die Pest ausgelöste schwere Krise von Wirtschaft und Gesellschaft, betraf ganz Europa und hatte deshalb auf den Kriegsverlauf nur insoweit Auswirkung, als die folgenden Operationen in Zeiten eines starken Bevölkerungsrückgangs stattfanden. Der damit verbundene Arbeitskräftemangel wirkte sich auf den Krieg zwischen den Königen England und Frankreichs so aus, das der nur zum Erliegen gekommen war, nicht aber beendet worden war.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Pest

https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzer_Tod
Der Hundertjährige Krieg, Joachim Ehlers, ISBN 978-3-406-56275-4, Seite 28
Der Schwarze Prinz und die Schlacht bei Poitiers, Dr. Johann Baier, ISBN 978-3-938921-29-6, Seiten 43-51

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